Grosser Banntag XXL

Zum Reisebericht von Barbara Saladin: „In der Region, aber trotzdem weit, weit weg„.
Volksstimme vom Freitag, 13. Mai 2011, Seite 4-5

Kürzlich konnte man in der Volksstimme lesen was die Volksstimme-Redaktorin Barbara Saladin bei ihrer Wanderung der Baselbieter Grenze nach erlebt hatte. Dies rief mir in Erinnerung, dass ich dies schon mal vor fast 24 Jahren vollbracht hatte.

1987 im Frühling bekam ich nach langer Leidenszeit meine beiden künstlichen Hüftgelenke. Nachdem meine Operationsschmerzen vergangen waren (Spätsommer), war ich ein neuer Mensch. Endlich konnte ich wieder schmerzfrei gehen und zwar stundenlang! Grosse Freude herrschte! Ich fühlte mich wie neu geboren. Da beschloss ich, mich auf den grossen Bannumgang, die Kantonsumrundung zu begeben.

14 Etappen teilte ich mir ein. Mit dem U-Abo ging‘s jeweils zum Start und abends wieder nach Hause. Im heimischen Bett schläft man am Besten. Ich versuchte möglichst den Bannweglein zu folgen, was mir jedoch nicht immer gelang. Besonders im Laufental war der Grenzverlauf vielerorts etwas unklar, es gab keine Verbindungswege zwischen den Grenzsteinen, da dort der Banntag nicht bekannt ist!

  1. Etappe. Start: Landstrasse an der Grenze Anwil-Kienberg. Rauf zur Geissfluh, Schafmatt, Zeglingerberg und hinunter ins Wisentäli. Dann den Wisenberg hoch und runter über die Hupp bis zum Adlingerrank bei Läufelfingen.
  2. Etappe. Adlingerrank, Hauenstein, Schmutzberg auf die Bölchenfluh und weiter bis Langenbruck
  3. Etappe. Von Langenbruck gings dann hinauf zum Chellenköpfli, hinunter ins Bogental und dann über den Berg nach Nunningen. Ein nebliger Oktoberabend. Ich war froh, dass ich den Zielpunkt ohne Kompass noch fand. Man sah keine 50 Meter weit.
  4. Etappe. Nunningen, Bretzwil, Lupsingen, dann hinunter ins Oristal bis Neunuglar.
  5. Etappe. Neunuglar hoch der Grenze nach, immer am Rande des Schwarzbubenplateaus, dann hinunter ins Birstal, um Dornach herum nach Aesch.

    Noch gehörte das Laufental zu diesem Zeitpunkt nicht zum Baselbiet. Im Wissen um das baldige Einverleiben dieses Gebietes annektierte ich es schon früher in meinen "Bannumgang".
  6. Etappe. Aesch zum Flugzeugabsturzort bei Hochwald, dann wieder hinunter zur Birs, durchs Kaltbrunnental nach Brislach.
  7. Etappe. Brislach, Wahlen bis Liesberg. Da war ich fast ein Bergsteiger, da führt die Grenze manchmal durch unwegsames Gelände und ich musste den Grenzverlauf einige Male grosszügig umgehen.
  8. Etappe. Liesberg, Roggenburg.
  9. Etappe. Um Roggenburg. Da kommt man an einen Punkt wo man schon mal tags zuvor war. Dann über den Röschberg nach Röschenz.
  10. Etappe. Röschenz, Challhöchi, Blauen, Ettingen.
  11. Etappe. Ettingen, Benken rund um das Französische Neuwiller und um Schönenbuch nach Allschwil.
  12. Etappe. Allschwil, der Basler Grenze entlang bis zum Birsköpfli und weiter dem Rhein entlang nach Augst. Eine lange ebene, trotzdem sehr nahrhafte Strecke.
  13. Etappe. Augst, Augusta Raurica, Giebenach, an Olsberg vorbei, Nusshof, Igligerhof, Buusnerbach und über den Berg nach Maisprach.
  14. Etappe. Maisprach, Sunneberg um Buus und Hemmiken herum zum Rothenflüher Asp, auf den Rothenflüher Berg zum Wittnauerchrütz und um Anwil zum Startpunkt dieser Reise. Auch dies eine lange nahrhafte Etappe.

Lang ist`s her, aber ich glaube so wie oben beschrieben verliefen meine 14 Routen.

Ich habe einiges erlebt, jedoch leider nichts aufgeschrieben und auch den Fotoapparat lies ich zu Hause. Einige Etappen waren relativ kurze Spaziergänge, andere waren anspruchsvoll sowohl von der Länge wie vom Höhenunterschied. Handy gab es dazumal noch nicht und ich war fast immer alleine unterwegs (nur zwei, drei Mal war meine Frau dabei). Wäre mir was passiert wäre ich aufgeschmissen gewesen. Heute würde ich nicht mehr so leichtsinnig so was unternehmen.

Als Kartenmaterial diente mir die Schülerkarte des Kantons Baselland. Den Grenzverlauf von Roggenburg musste ich von einer anderen Karte übernehmen. Ich startete ende September und ging kurz vor Weihnachten auf die letzte Etappe. Nur an schönen trockenen Tagen bei guter Wetterprognose war ich unterwegs. Nie nahm ich Regenkleider mit und wurde auch nie verregnet. Allgemein nahm ich keinen grossen Ballast mit. Ein kleines Rucksäcklein mit wenig Inhalt: Eine Feldflasche mit Tee, eine Wurst, etwas Brot und Traubenzucker. An den Füssen trug ich bequeme, gut eingelaufene etwas stärkere Strassenschuhe, nichts von Wanderschuhen. Auch meine Bekleidung war leicht (Jeans & rotkariertes Baumwoll-Flanellhemd). Wurde es etwas kälter hiess es „schneller laufen oder frieren“. Einen Kompass hatte ich ebenfalls nicht dabei. Da ich nur bei schönem Wetter unterwegs war konnte ich mich nach Tageszeit und Stand der Sonne orientieren. Als Gehhilfe nahm ich Vaters Wanderstock mit.

Einmal war ich unterwegs und erst, als ich wieder daheim war bemerkte ich, dass ich mein Portemonnaie zu Hause liegen gelassen hatte. Ohne Geld, Ausweis und U-Abo war ich unterwegs gewesen; zum Glück kam ich nicht in eine Billettkontrolle!

Auf meiner Etappe der Baselbieter-Französischen Grenze nach, wurde ich von zwei mit Feldstechern „bewaffneten“ Schweizer Grenzwächtern angehalten. Die Zöllner hatten mich sehrwahrscheinlich schon länger beobachtet und wollten von mir wissen was ich hier an der Grenze mache. Ich erzählte ihnen, wo her ich komme, was ich bis jetzt erwandert habe und was ich noch vor mir habe. Der ältere der beiden war sehr interessiert. Er sagte mir, er werde bald pensioniert und hätte etwas ähnliches vor. Er wolle die ganze Schweizergrenze von Basel bis Basel umgehen. An vielen Abschnitten davon sei er schon stationiert gewesen. Er wolle jedoch alles am Stück erwandern und zwar in 5-Tage-Wochen und bei jedem Wetter, wie er es gewohnt sei. Wie lange er wohl dazu brauchen würde konnte er mir nicht sagen, er hatte es sich noch nicht eingeteilt.

Auf der letzten Etappe, kurz vor dem Ziel in der Gegend Rothenfluh-Anwil passierte mir ein Missgeschick. Ich stolperte an einer Wurzel und fiel hin. Mir war nichts geschehen aber mein ausgelatschter, von den langen Wanderungen geschwächter rechter Schuh überstand den Sturz nicht unversehrt. Die halbe Sohle von den Zehen bis unters Rist hatte sich vom Oberleder gelöst! So konnte ich nicht mehr weitergehen. Muss ich jetzt kurz vor dem Endziel abbrechen und eine weitere, kurze Etappe anhängen? Nach langen überlegen band ich den Schuh mit dem Nastuch wieder zusammen. Dies hielt kurze Zeit, musste jedoch immer wieder erneuert werden. Da traf ich beim Weitergehen auf einen Wellenmacher. Wellen werden mit Draht zusammengebunden und mit solch einem Draht und Zange flickte mir der gute Mann meinen Schuh zusammen, so dass ich doch noch meine letzte Etappe gut beenden konnte. Übrigens, diese Schuhe, in welchen ich diese 230 Km Grenzverlauf begangen hatte, geflickt und mit fast durchgelaufenen Sohlen, bewahrte ich als Andenken lange auf, bis sie mir meine Frau leider mal entsorgte.

Nun ist es an Dir liebe Leserin, lieber Leser, sofern Du gerne zu Fuss unterwegs bist es mir nachzumachen. Wandern ist cool ;-) Viel Vergnügen.
Karl Pümpin, Gelterkinden